Supervision – Berge – Kunst 1

Im Sommer 2021 sind auf den Gipfeln einiger Südtiroler Berge Kunstinstallationen zu erleben, die einen starken Eindruck hinterlassen. Als Supervisor, der sich mit erweiterten Erfahrungen, veränderten Sichtweisen und Verfahren, die das ermöglichen beschäftigt, sind mir Parallelen zu meiner Arbeit aufgefallen.

Fragile as a Rainbow

Auf dem Gipfel des Maurerbergs (bei Antermëia) auf 2332 Metern präsentieren die beiden chinesischen Künstlerinnen Xinge Zhang und Jiaqi Qiu im Rahmen des Projekts SMACH (https://www.smach.it/) ihre Installation „Fragile as a Rainbow“. Die Besucher*innen werden mit folgendem Text eingeladen neue Erfahrungen zu machen:

Gates in Colors of a Rainbow from North with Peitnerkofel

„Ein Regenbogen färbt die Dolomitenlandschaft, durch eine Serie von Toren in einer Linie können die BesucherInnen durchwandern, wie in einem Tunnel, eine Metapher für Hoffnung. Eine Reise Richtung Glück, jede Farbe steht für eine Emotion, ein Farbton auf dem Weg einer/s jeden Einzelnen im Leben. Die chinesischen Künstlerinnen animieren die Menschen auf ihren Körper zu hören, indem sie sie auf eine innere Reise schicken, auf der sie herauskristallisierte Überzeugungen reflektieren können, wie stark gleicht schön, und Perfektion ist ein Synonym für Glück. Der Körper, wie auch immer, wird reagieren und treibt uns dazu an sogar Gegenteiliges auszudrücken, von dem was wir fühlen, Turbulentes und Zerbrechliches. Fragil sein, wenn es gezeigt wird, kann dich stark machen – wie ein Regenbogen. Wenn du durch diesen Tunnel von grellen Farben wandelst, dann hilft dir die Kunstinstallation deine Gefühle zu entdecken und du wirst dir deiner Verletzlichkeit bewusst. “Fragile as a rainbow“ ist ein bewusster Spaziergang, der unser extrovertiertes und „korrektes“ zu einem introvertierten aber authentischen Verhalten verändert.“ (Quelle: https://www.smach.it/xinge-zhang-jiaqi-qiu)

Jede Farbe steht für eine Emotion und durch das, was in der Supervision Reflexion und „Körperarbeit“ genannt wird, kann die Ambivalenz und vielleicht sogar die Polarität der Emotionen reflektiert werden. Die Körperarbeit besteht in einem Durchgang durch die farbigen Tore und die Verbalisierung der Gefühle angesichts der Farben. Dabei sollen körperliche Reaktionen genauso wahrgenommen werden, wie kognitive und assoziative. Ergeben können sich ein besseres Kennenlernen der eigenen Emotionen und ein vergrößertes Spektrum an Reaktionsmöglichkeiten auf eigene und fremde Emotionen. Durch die Integration von körperlichen, kognitiven und assoziativen Anteilen wird der Durchgang auch zu einer Schule der eigenen Intuition.

Ein ähnlicher Prozess findet in vielen Supervisions- und Coaching-Prozessen statt. Die Reflexion erlebter oder geplanter beruflicher Situationen erlaubt einen Zugang zu den Emotionen der Beteiligten, den eigenen und den fremden. Dadurch wird das Spektrum der Wahrnehmung erweitert und die Palette an Reaktionsmöglichkeiten verfeinert und vergrößert. Angesichts einer oft überkomplexen organisatorischen Realität und dem Zwang zu schnellem Handeln, besonders in der Führungsrolle, ist professionelles intuitives Handeln nötig. Der scheinbare Gegensatz von Professionalität und Intuition (Fach- und Führungskräfte entscheiden sachlich, nicht aus dem Bauch heraus!) kann durch die Reflexion beruflicher Situationen in Supervision und Coaching aufgelöst werden. Wer die eigene Emotionalität besser kennengelernt hat und Emotionen des Gegenübers besser lesen kann, kann Intuition als verlässliche Ressource für schnelles Handeln in überkomplexen Situationen nutzen.

Die Ambivalenz und gelegentlich sogar Polarität emotionaler Reaktionen (etwa gleichzeitige Faszination und Abscheu oder Wut und Bedauern) reflektiert zu haben, ist ein weiterer Schritt zur Entwicklung einer inneren Landkarte, die nötig ist, um sich auf der Höhe beruflichen Handelns nicht zu verirren.

Text und Fotos Michael Greißel

Gates in Colors of a Rainbow from South

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