Sao Paulo Biennale 2023

Die Sao Paulo Biennale im Ibirapuéra Park ist meiner Ansicht nach zu einem zentralen Ort des Diskurses um globale Vielfalt, globale Ungleichheit und globale Diskriminierung geworden. Sie beleuchtet mit ihrem Titel „Die Choreographie des Unmöglichen“ die Unmöglichkeit mit diesen globalen Ungleichheiten umzugehen. Die Spannungsfelder die diese Ungleichheiten immer wieder hervorbringen, werden in Kunst umgesetzt. Das ist nicht romantisch gemeint oder beschönigend, sondern es ist einfach faszinierend zu erleben, wie Menschen, die sich mit diesen Ungleichheiten und Diskriminierungen auseinandersetzen, auf der anderen Seite Großartiges auf die Bühne oder in die Galerien und Museen bringen.

„Die Choreographie des Unmöglichen“

In Brasilien ist es naheliegend das Weiße postkoloniale Erbe dem Afrobrasilianischen und Indigenen Erbe gegenüberzustellen. Ebenso aber auch Homo- und Heterosexuelle, Queere wie Männliche, Weibliche und Nonbinäre Identitäten. Dazu sind Künstler*innen aus anderen Teilen der Welt, beispielsweise aus Asien, Afrika, oft aus Ländern des Globalen Südens eingeladen. Es sind meist wunderbare Arbeiten und ein beeindruckendes Gebäude von Oskar Niemeyer 1956 entworfen im wunderschönen Ambiente des Ibirapuéra Parks um den Biennale-Bau.

 

Tanz der Zombies

Der Franzose Julien Creuset erweckt in seiner Arbeit „Der ewige Zombie“ kleine Figuren, vermutlich aus Amazonien oder Bahia, zum Leben und zu was für einem Leben. Sie biegen sich von künstlicher Intelligenz gesteuert um ihre eigenen Längs- und Querachsen. Sie führen einen Tanz auf, eine Choreografie des Unmöglichen und es ist ein Genuss, diesen Figuren beim Tanzen und sich verbiegen zuzusehen. Der Titel der Biennale wird hier trefflich eingelöst.

Zombies

Das Antikapitalistische-Flamenco-Kollektiv

Das Antikapitalistische-Flamenco-Kollektiv aus Spanien ist mit Videos und Plakaten vertreten. Diese Video-Szenen sind an Absurdität kaum zu überbieten. Es ist witzig zu sehen, wie eine Gruppe von Flamenco Tänzern eine Bankfiliale, eine Bank, übrigens, die auch in Brasilien vertreten ist, buchstäblich aufmischt und sowohl Bankangestellte wie Wachpersonal in verrückte Verfolgungsszenen und Angststarre treibt. Eine wunderbare Arbeit.

Afrobrasilianische Geschichte und Gegenwart

Afrobrasilianisches Leben auf Postkarten in drehbaren Displays aufgereiht, zeigen Köchinnen und Musiker. Die Aufnahmen stammen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Sie geben Antwort auf die Frage, die an anderer Stelle gestellt wird, nämlich – Wo ist die Geschichte der „Negros“? Sie ist sonst weitgehend ausgespart und diese Arbeit scheint einen Beitrag dazu zu sein, schwarze Geschichte sichtbar zu machen. Die Eigenbezeichnung Negro übrigens wird im Gegensatz zum europäischen Diskurs auch von Aktivist*innen in Brasilien verwendet.
Die Auseinandersetzung mit der afrobrasilianischen Bevölkerung findet durch das Fotoarchiv ZUMVI des schwarzen Protests in Bahia statt. Außerdem mit der Front 3. Februar. Am 3. Februar 2004 wurde der junge, afrobrasilianische Zahnarzt Flavio Ferrera Sant‘Ana von der Polizei ermordet. Von beiden modernen, zeitgenössischen, emanzipatorischen Bewegungen werden die Begriffe Negro und Indio verwendet. Sie haben im Diskurs in Brasilien offensichtlich einen anderen Klang als in Europa und Nordamerika. Es geht um Stolz und Würde.
Vor allem von der Front 3. Februar in Sao Paulo wird Polizeigewalt kritisiert.
„Die Kugeln treffen nicht zufällig überproportional häufig Schwarze und junge Männer.“

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