Selbst- und Fremdbezeichnungen von Nationalstaaten
Germany, Allemagne, Tyskland, Duitsland, Germania, Alemania, Njemacka, Njemcy, Saksa, Vacija und Vokietija, Almanya. Diese unvollständige Reihe von Fremdbezeichnungen für Deutschland gibt es in europäischen Sprachen, sie haben mit der Selbstbezeichnung kaum Ähnlichkeit.
Interessant ist es der Etymologie zu folgen. Meist sind es benachbarte Stämme der Deutschen oder historische Kontakte, die eine Fremdbezeichnung prägen.
Bei Städtenamen lässt sich die Reihe fortsetzen: München, Munich, Monaco, Munique, Mnichov, Miunchenas, …
Die Vielfalt dieser Bezeichnungen signalisieren ja auch, dass das Land oder die Stadt (auch der Fluss!) in der jeweiligen Sprache und Kultur bedeutsam genug sind, um eine abweichende Bezeichnung zu entwickeln. Der Wunsch nach Normierung erscheint deshalb merkwürdig, zumal sich die Frage der Durchsetzbarkeit stellt.
Dennoch hat der türkische Staatspräsident Erdogan 2022 eine Kampagne gestartet, die Republik Türkei solle in Zukunft in allen Sprachen nur noch als Türkiye bezeichnet werden. Ich konnte einen Generalkonsul der Republik Türkei in Deutschland kürzlich beobachten, wie er, halblaut, eine in Deutsch gehaltene Rede auf einer Veranstaltung entsprechend korrigierte.
Was ist davon zu halten?
Es gibt in der Türkischen Republik seit den 1920er Jahren eine Tradition von Sprachpolitik, sei es Türkische Bezeichnungen bei ethnischen Minderheiten in der Türkei durchzusetzen oder auch im Ausland türkisch-nationale Sichtweisen zur Norm zu erheben.
Istanbul – not Konstantinopoli, Izmir statt Smyrni etwa. Gleichzeitig werden nah-östliche und balkanische Länder- und Städtenamen im Türkischen immer noch mit den kolonialen Namen aus dem Osmanischen Reich bezeichnet.
Die aktuelle Kampagne verfolgt einen anderen Zweck. Sie ist nicht systematisch, wie die Kampagnen in der Frühzeit der Republik, die dem kemalistischen Prinzip des Nationalismus folgten.
Das Argument „Turkey“ würde im Englischen auch Truthahn bezeichnen und sei deshalb inakzeptabel ist nur bedingt schlüssig. Im Türkischen wird mit „Hindi“ Truthahn, ebenso wie Inder*in bezeichnet. Letzteres wird in diesem Zusammenhang keiner Sprachkritik unterworfen.
Es handelt sich vielmehr um eine Kampagne, die das Ziel verfolgt von extremen ökonomischen Problemen, Währungsverfall und Inflation, abzulenken und neben den weitgehend auf Regierungslinie gebrachten Medien, auch die Nutzer*innen der sozialen Netzwerke zu beschäftigen.
Was empfehle ich im TRIK-Training Interkultureller Kompetenz?
Achten Sie darauf, wie Ihr Gegenüber es hält!
Bei offiziellen Anlässen empfehle ich der Sprachregelung Folge zu leisten.
Ich sehe jedoch keine Notwendigkeit ihr zu folgen im Sinne Fairer Sprache, die hier etwa als Ausdruck einer nicht-kolonialistischen oder nicht-diskriminierenden Haltung vermeintlich angebracht wäre.
Falls Sie als Expat oder bei Business-Kontakten auf Fehler angesprochen werden, sind sprachliche Gewohnheiten, die sich leider so schnell nicht verändern lassen, ein akzeptables Argument.
In informellen Kontakten wäre ein Befolgen der Sprachregelung mindestens ambivalent. Das könnte auch von Erdogan-Kritiker*innen als unreflektierte Parteinahme interpretiert werden. Wenn also die Konversation in Englischer oder Deutscher Sprache verläuft, achten Sie darauf, wie Ihr Gegenüber es hält.
Möglicherweise hat sich die Türkiye-Kampagne nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Sommer 2023 erledigt.