Andreas Maier, Die Heimat

Beim Erlangen Poetenfestival 2019 sprach Andreas Maier über eine Entdeckung in seiner Familiengeschichte, die das Konzept seines bisherigen Schreibens so tief erschüttert hatte, dass er unsicher war, wie es weitergehen könnte.
Das mutmaßlich seit vielen Generationen im Familienbesitz befindliche Naturstein-Werk und die Immobilien waren im Zuge der Arisierung zumindest ethisch fragwürdig in Besitz genommen worden.
Für einen Autor dessen Schreiben sich auf die unmittelbare Umgebung die Wetterau fokussiert hatte, ein Unglück.

Die Heimat ist an einer Pissrinne geboren

Den ganz neu vorliegende Roman Die Heimat hatte ich mit großer Spannung erwartet und er hat mich überrascht. Edgar Reitz gewidmet tritt er noch einmal weit zurück in der erzählerischen Distanz, greift schon beschriebene Episoden wieder auf und bietet einen Überblick über die Genese des Heimatgefühls des Ich Erzählers in vier Kapiteln, Siebziger bis Nuller.
Der Prolog beginnt mit dem Satz : Die Heimat ist an einer Pissrinne geboren. Dort, an der Pissrinne endet auch das letzte Kapitel.
Die Heimat wird erst im Laufe der Jahrzehnte als Begriff und Gefühl möglich, eine langsame Entwicklung, die stets mit Hitler und dem Nationalsozialismus als Gegenpol ringt.
Kaum hat sich der Ich-Erzähler im Haus der Großmutter und im Zimmer des früher üblen Silagegeruch verbreitenden Onkels J. eingerichtet, erfährt er vom Arisierungsgewinn der eigenen Familie.
Und sie stinkt diese Heimat, hat immer gestunken, wird immer stinken und trotzdem ist diese olfaktorische Metapher das konstituierende an Maiers Heimat. Wegen des Gestanks musste sie lange abgewehrt werden, und kann schließlich nach einem langen und auch schmerzhaftem Prozess an ihrer atemraubenden Pissrinne angenommen werden. Nicht mit Stolz, sondern als Ergebnis der Lebensaufgabe der Auseinandersetzung mit dem Eigenen, dem so Geworden sein.
Als schöne Dialektik tauchen auch immer wieder die Fremden im Roman auf. Und man spürt deutlich die Dankbarkeit, dass nur durch deren Gegenwart das Eigene irgendwie auszuhalten ist.

Die Dialektik des Eigenen und des Fremden

Die Dialektik des Eigenen und des Fremden ist auch die philosophische Grundlage des TRIK-Konzepts mit Anleihen an Julia Kristeva und Bernhard Waldenfels.

Ausschnitt Cover

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