NOWAR – #RUSSIANS A9AINST WAR.
Die russische TV-Redakteurin Marina Ovsyannikova erregt mit ihrer Aktion am 15.3.2022 weltweite Aufmerksamkeit. Sie hält ein Schild während einer Nachrichtensendung in die Kamera, auf dem steht NOWAR – #RUSSIANS A9AINST WAR.
Die Situation lässt sich vielleicht so erzählen: Große Aufregung, sie weiß, dass ihr diese Aktion eine Strafe und wahrscheinlich das Ende ihrer Karriere einbringt. Sie ist vermutlich mit kyrillischen Zeichen alphabetisiert. Beide Faktoren zusammen ergeben eine Fehlleistung, von der ich hoffe, dass sie zur Ikone einer russischen Friedensbewegung wird: #RUSSIANS A9AINST WAR
„Fehler“ als Quelle sprachlicher Kreativität
Solche „Fehler“ finde ich seit langem als Quelle sprachlicher Kreativität interessant.
Ein zweisprachig deutsch-türkisch aufwachsendes Kind wollte mit 5 Jahren nur noch „Normalisch“ sprechen.
„Tee im Harem des Archimedes“ ist ein französischer Film aus dem Jahr 1985. (Regisseur Mehdi Charef, französischer Originaltitel „Le Thé au harem d’Archimède“) Im Film entsteht der Titel aus dem Fehler eines Jungen mit arabischer Muttersprache in einer Mathematikstunde zum Theorem des Archimedes.
Ähnlich die populären Filme „Fack ju Göhte“ (Fuck you, Goethe) von Bora Dagtekin.
Training, Supervision und interkulturelle Fehler
Im TRIK®-Training Interkultureller Kompetenz, in Supervision und Coaching spielen solche Fehler auch immer wieder eine besondere Rolle. Sie sind häufig Gegenstand von freundlichen Anekdoten, die den Arbeitsalltag bereichern und eine augenzwinkernd humorvolle Beziehung in der Arbeit mit Menschen anderer Muttersprache beschreiben. Diese Haltung finde ich erstrebenswert für interkulturelle, soziale – oder Bildungsarbeit. Besonders die Arbeit mit Geflüchteten ist oft schwer, es geht um Themen wie Gewalt, Trauma, Aufenthaltsbeendigung, Perspektivlosigkeit. Die Anekdoten sind Ausdruck einer respektvollen Beziehung auf Augenhöhe, was den gemeinsamen Humor und die Fähigkeit sich darüber von deprimierenden Umständen zu distanzieren anbelangt.
Deutsch-Türkisch interkulturell
Im Arbeitsfeld interkulturelle Auslandsvorbereitung für deutsche und türkische Expats spielen Wörter, die mutmaßlich aus Fehlern resultieren eine Rolle.
Ein Fenster mit Kippfunktion heißt auf Türkisch „Wasistdas“ und im Deutschen ist „Döner mit alles und mit scharf“ sprichwörtlich geworden. Wörter und Anekdoten können missbraucht werden und so Abwertung oder rassistisches Stereotyp werden. Ihre kreative Kraft führt meiner Erfahrung nach eher zu einer respektvollen Grundhaltung, der Basis für interkulturelle Kompetenz.
Michael Greißel, 16.3.2022