Zwei Ausstellungen in der Collezione Maramotti in Reggio Emilia

Die Familie Maramotti steckt hinter der Marke Max Mara und das ist einer der führenden Modelabels. Beide Künstler*innen haben zu textilem Design oder zur Mode Bezüge, sie sind also nicht zufällig für diese Location ausgewählt.

Ich beginne mit der Ausstellung „Black Mirror“ von Romeo Mivekannin. Der Künstler stammt von der Cote d’Ivoire. Er ist stark beeinflusst von den europäischen Künstlern des 16. und 17. Jahrhunderts. Er malt auf schwarzem Samt, wohl einem der „schwärzesten“ Materialien, weil Samt jedes Licht schluckt und somit wirklich tiefschwarz erscheint. Der Künstler malt mit Weiß und hellen Farben Figuren, entlehnt aus klassischen Motiven oder aus Filmen oder Pressefotos. Und sein eigenes Porträt oder andere schwarze Gesichter werden häufig in diese Weißen Motive einkopiert. „Einkopiert“ ist ein Begriff aus der Sprache des Films oder der Fotografie. Und tatsächlich hat man nicht den Eindruck, dass es sich um ein einziges gemaltes Kunstwerk handelt, sondern dass diese Zitate wie „Fremdkörper“ eingefügt sind.
Hier wird deutlich, dass es sich um Rassismus kritische Kunst handelt, denn meine Wahrnehmung ist die Wahrnehmung eines weißen Europäers und Mivekannin stellt seine Perspektive dagegen.
Zwei Werke möchte ich besonders herausgreifen.
Das eine Project Fall ein circa 10 Meter breiter Streifen, betitelt „Parle avec elle (Pina Bausch)“. Es ist eine Tanzszene aus Pina Bauschs Modern Dance Stücken, die ausschließlich von schwarzen Tänzerinnen und Tänzern getanzt wird.
Eine zweite Arbeit heißt: Nach der Ermordung von Hector Petersen. In Soweto in Südafrika wurde 1976 von weißen Polizisten ein schwarzer Junge erschossen und das Pressefoto als seine Eltern in rasender Trauer seinen Leichnam auf den Armen tragen, geht um die Welt. Die Figur von Hector Petersen, des ermordeten Jungens, trägt das Gesicht des Künstlers. In Romeo Mivekannins Werk geht es: (Zitat aus dem Katalogtext) „Um Spannungen, die immer da sind, um das Sichtbare und Unsichtbare, um Schwarz und Weiß, um Negativ und Positiv, um Bewusst und Unbewusst.
Mit diesen Spannungsfeldern versuche ich auch im TRIK-Training Interkultureller Kompetenz zu arbeiten. Und natürlich gibt es noch viel mehr Spannungen, wenn es um Arbeiten und Leben in anderen Ländern, um nicht zu sagen Kulturen geht. Schließlich geht es auch im Titel „A Black Mirror“ um den Stoff, „der keine Zeichen und keine Bilder reflektiert, sondern sie einatmet und einfängt innerhalb seiner Fasern.“ Auch hier sehe ich eine Korrespondenz zu meiner These, zum Eigenen und zum Fremden, das gut getrennt nebeneinander stehen bleiben muss, wenn es tatsächliche interkulturelle Kompetenz herausfordern und befördern will.

Nun zur zweiten Ausstellung von Viviane Sassen, einer niederländischen Künstlerin, die Teile ihrer Kindheit in Kenia gelebt hat. „This Body is Made of Stardust“ ist sie betitelt. Und in dem kurzen Katalogtext heißt es. We are dust and to dust we return. Also wir sind Staub und zu Staub werden wir werden. But that dust is star dust. Also dieser Staub ist Sternenstaub. Ein sehr poetischer Titel, der in vielen Arbeiten, und es ist wirklich eine unglaublich umfangreiche Ausstellung, reflektiert wird. Sassen setzt sich auch mit verschiedenen Skulpturen aus der Sammlung Maramotti auseinander. An dieser Stelle können nur ganz wenige Werke reflektiert werden.
Zunächst ist das Plakat und Cover des Katalogs ein Foto einer auf weißem Grund auf dem Rücken liegenden Frau, die einen dunkel-weinroten Rock trägt und dem Betrachter die nackten Füße entgegenreckt. Die Fußsohlen sind mit türkisfarbenem Pigment bestäubt. Natürlich ist das Sternenstaub!
Auffällig ist auch eine Serie von Werken, die mit Mivekannins Arbeiten korrespondiert. Dabei geht es jeweils um Figuren, die in erniedrigender und erniedrigter Lage wohl Opfer von Gewalt geworden sind oder drohen zu werden. Ein Mädchen mit Narben auf einer bunten Decke liegend um sie stehend, sichtbar nur die Beine dieser Figuren, Jungs oder Mädchen. Eine Hierarchie wird möglicherweise zu Gewalt.
Ein anderes Foto zeigt eine Frau, die in einer Art Grube liegt und sich schmerzverzerrt die Hand auf den Rücken legt. Es gibt eine ganze Reihe von Bildern, die asymmetrische Verhältnisse durchaus auch innerhalb der schwarzen Gemeinschaften reflektiert. Der Kontext ist offensichtlich: Wenn Afrika von einer europäischen Künstlerin reflektiert wird, sind die Verhältnisse von erster und dritter Welt, wie man es früher genannt hat, oder dem globalen Norden und dem globalen Süden, wie es heute genannt wird, zum Ausdruck gebracht.
Ein weiterer Raum, zeigt Fotos, die in der Auseinandersetzung einer Skulptur von Karina Kaikonen „From Generation to Generation“entstanden sind. Eine Reihung von Anzug-Jackets. Die immer dünner wird und schließlich nur noch die Manschetten und die Revers zeigt. Sehr schwungvoll.
Eine kleinformatige Aufnahme betitelt Nungwi von 2010, zeigt einen schwarzen Körper. Der droht in milchigem Wasser zu ertrinken. Da hat sich bei mir eine eindeutige Brücke hergestellt zu einem Werk in der anderen Ausstellung. Und zwar „Die Schifffahrt des Don Juan nach Delacroix von 1840. Mivekannin hat 2025, also ganz aktuell, ein Schiffchen bevölkert mit schwarzen Menschen und da ist natürlich der Bezug zur Flüchtlingskrise und dem Schuldanteil der Festung Europa ganz deutlich.
In diesen beiden Arbeiten verbinden sich für mich beide Ausstellungen von Viviane Sassen und Romeo Mivekannin sehr eindrücklich. Dieses gelungene Konzept im Ambiente der Stiftung Maramotti erleben zu dürfen, übertraf die Qualität der letzten Venedig Biennale.

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